Veröffentlicht am 2. Oktober 2021

Diversität – das New Normal im Kinderzimmer

Shopping

Vater, Mutter, ein oder zwei Kinder, weiß und ohne sichtbare Behinderung: So sehen fast alle Familien aus, die man in deutschen Kinderbüchern findet. Kinder, die eine andere als die weiße Hautfarbe haben, auf einen Rollstuhl angewiesen sind, nur mit Mama oder Papa oder in einer Regenbogenfamilie aufwachsen, sind immer noch wenig präsent. Nicht so bei Mirjam Schröter: Die Berlinerin sorgt seit 2016 mit ihrem Shop „Diversity Spielzeug“ für mehr Vielfalt und Inklusion im Kinderzimmer.
 

Spielfiguren mit verschiedenen Hautfarben und kulturellen Hintergründen
Wem Diversity im Kinderzimmer wichtig ist, der achtet bei der Auswahl des Spielzeugs zum Beispiel auf das selbstverständliche Vorkommen unterschiedlicher Hautfarben

RAINBOW WORLD: WIE WAR DER WEG VON DER IDEE DEINES SHOPS BIS ZUR UMSETZUNG?

Mirjam Schröter: Kinder brauchen Figuren, mit denen sie sich identifizieren können. Im echten Leben, aber eben auch in ihrer Spielzeugwelt. Ich bin weiße Mutter von zwei Schwarzen Kindern, 9 und 7. Durch die Auseinandersetzung mit Rassismuskritik und den Lebensrealitäten meiner Kinder war ich schnell auf der Suche nach Büchern und Spielzeugen, in denen sie sich repräsentiert sehen. Vor neun Jahren gab es da noch sehr wenig und die Recherche hat viel Zeit in Anspruch genommen. Die Idee, selbst einen Shop zu gründen, kam mir während meines Studiums der Sozialen Arbeit. Ich bin sehr naiv an das Ganze herangegangen. Mein Bruder, der Informatiker ist, hat mir bei dem ersten Online-Shop geholfen, hat mir einen kleinen Privatkredit gegeben und dann habe ich einfach von zu Hause aus angefangen. Von der Idee bis zur Shop-Eröffnung verging ein bisschen mehr als ein halbes Jahr. Immer Schritt für Schritt und learning by doing.
 

Wie ist der deutsche Spielzeugmarkt HEUTE in Sachen Diversität aufgestellt?

Im internationalen Vergleich schneidet Deutschland nicht gut ab. Es gibt nach wie vor alteingesessene Firmen, die überhaupt keine Diversität in ihre Produkten aufnehmen. In der Kinderbuchlandschaft habe ich den Eindruck, dass sich die großen Verlage immer mehr bemühen. In diesem Bereich nehme ich aber hauptsächlich kleine Unternehmen oder Einzelpersonen wahr, die Produkte und Bücher selber veröffentlichen, weil so viel fehlt. In den letzten fünf Jahren, seit Gründung von „Diversity Spielzeug“, hat sich auf jeden Fall viel getan. Immer mehr Menschen setzen sich mit dem Thema Vielfalt auseinander und kommen auch ins Handeln. Wir brauchen aber noch viel mehr und ich freue mich schon sehr auf viele weitere Spielzeuge und Bücher, die ich entdecken werde.
 

Welches ist das beliebteste Produkt in eurem Sortiment - und welche deine persönlichen Favoriten?

Am allermeisten werden die Hautfarbenstifte gekauft. Das finde ich auch toll, da es sehr wichtig ist, dass Weiß nicht als normal und die eine Hautfarbe gilt. Ich persönlich mag viele Sachen – neben einigen Büchern über verschiedene Lebensrealitäten zum Beispiel die Postkarten von „ellou“ mit empowernden, inklusiven Motiven und auch die gendergerechten Spielkarten von „Spielköpfe“. Mir ist wichtig, dass bei uns Jede:r etwas Passendes für sein Kind findet – von der Puppe mit Down-Syndrom über die Feuerwehrfrau von Lego Duplo bis hin zu schwarzen oder Rollstuhl fahrenden Playmobilfiguren. Nicht nur für die eigene Identifikation, sondern auch um einfach die Vielfalt der Gesellschaft im Spielzeug zu spiegeln. Das sollte selbstverständlich sein.
 

Wonach entscheidest Du, welches Produkt du in dein Sortiment aufnimmst?

Es sollte mindestens eines der Vielfaltskriterien wie Körperformen, Familienkonstellation, Alter, Gender, Behinderungen, Religionen, Rollenbilder, Hautfarben und so weiter vorkommen. Manchmal ist es nicht so einfach, zu entscheiden. Im Prinzip überlege ich, ob das Produkt für ein Kind empowerend sein oder anders positiv wirken kann.
 

Wie würdest du deine Kund:innen beschreiben? Was sind das für Menschen?

Zunächst sind es Eltern, die auf der Suche nach Spielzeug sind, in dem sich ihre Kinder repräsentiert sehen. Und es bestellen glücklicherweise auch viele Kitas, Schulen und Familienzentren bei uns. Das Thema Diversity rückt immer mehr in den Fokus und auch Erzieher:innen und Lehrer:innen setzen sich vermehrt damit auseinander. Darüber hinaus freue mich über wachsendes Interesse von weißen Eltern mit weißen Kindern, die ihren Kindern mithilfe von entsprechendem Spielzeug und Büchern nach dem Motto „Vielfalt als Normalität“ einen ganz normalen Umgang mit Diversität ermöglichen.
 

In welchem Alter sollte man damit anfangen, Kindern, die in einer weißen Mutter-Vater-Kind-Familie aufwachsen und auch sonst keine Berührungspunkte haben, zu erklären, dass es auch andere Familienkonstellationen gibt?

Ich bin der Meinung, dass wir das von Anfang an einbringen können. Es gibt inzwischen wunderschöne Bücher mit Regenbogenkonstellationen – auch schon für ganz junge Kinder. Wenn wir die einfach ganz normal vorlesen und uns bemühen, nicht zu heteronormativ zu sprechen, bin ich überzeugt, dass wir das unseren Kindern gar nicht groß erklären müssen. Sie lernen es so einfach als Normalität kennen – und das ist der beste Weg.
 

Interview: Anna Hesse

 

 

Mirjam Schröter hat Soziale Arbeit studiert und 2016 den Online-Shop „Diversity Spielzeug“ gegründet. Mit ihren beiden Kindern lebt sie in Berlin. „Diversity Spielzeug“ gibt es mittlerweile nicht nur als Online-Shop, sondern auch als Ladengeschäft in der Emser Straße 27, 12051 Berlin (Neukölln).

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