Veröffentlicht am 14. September 2021; aktualisiert am 20. September 2021
Wie bunt ist Olaf Scholz?
Die Wahl zum Bundesvorsitzenden der SPD im Jahr 2019 verlor Olaf Scholz relativ knapp, weil die Mitglieder der Partei ein weiter links gelagertes Profil wünschten. Ein Jahr später schlug der neue Vorstand ihn als Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl vor. Wer ist der Mann, den die SPD zum Bundeskanzler machen will?
Als junger Mann war Olaf Scholz sechs Jahre lang stellvertretender Bundesvorsitzender der Jungsozialisten und wurde nicht müde, die Überwindung des Kapitalismus zu fordern und die NATO als imperialistisch zu verurteilen. Solche Töne hört man von ihm heute nicht mehr. In seiner kurzen Zeit als Innensenator Hamburgs im Jahr 2001 fiel er auf, weil er die zwangsweise Verabreichung von Brechmitteln beim Verdacht auf Drogenschmuggel befürwortete und auch umsetzen ließ, woran er auch nach einem vielbeachteten Todesfall festhielt. Innerhalb seiner Partei hat er sich über die Jahre vom linken Flügel zum eher konservativen Teil bewegt. Was bedeutet dies in Bezug auf Diversity- und Umweltfragen?
LGBTQ-Rechte
Als im Jahr 2015 der „Kongress christlicher Führungskräfte“ in Hamburg stattfand, war Hamburgs damaliger Bürgermeister Olaf Scholz Schirmherr der Veranstaltung. Unter den Referent:innen waren Bundespolitiker:innen wie Volker Kauder, Thomas de Maizière und die damalige Bundesvorsitzende der AfD, Frauke Petry. Nach der Veranstaltung kritisierte der NDR-Redakteur Christian Baars den Kongress in einem Beitrag, weil dort auch fundamentalchristliche Organisationen zugegen waren, die etwa Homosexualität ablehnen oder zur Missionierung von Muslim:innen aufrufen.
Erst im April 2021 unterstütze Olaf Scholz die Aktion „Liebe kennt keine Pause“, die sich für die Rechte von LGBTQ-Menschen in Katar einsetzt, wo im Jahr 2022 die Fußball-Weltmeisterschaft stattfinden soll. Er sei überzeugt, „dass wir uns mit Respekt begegnen müssen. Es muss egal sein, wen man liebt. Ob man als Mann oder als Frau geboren ist und wie man leben möchte.“
Im September 2021 konfrontierte die Hamburger Transgender-Aktivistin Hana Corrales Olaf Scholz in der ZDF-Sendung "Klartext" mit dem Transsexullengesetz von 1980. Dieses "Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen", wie es offiziell heißt, würde transsexuelle Menschen zu enorm hohen Ausgaben und zur Beantwortung übergriffiger Fragen zwingen, wenn sie ihren Namen und ihre Geschlechtszuweisung ändern wollen. Bereits vorliegende Vorschläge für ein neues Gesetz von den Fraktionen der FDP und Bündis 90/Die Grünen wurden von der bisherigen Bundesregierung abgelehnt. Hier gab Scholz ein ungewöhnlich deutliches Versprechen ab: Eine von ihm geführte nächste Bundesregierung würde "selbstverständlich diese Gesetzesänderung zustande bringen und die Diskriminierung beseitigen, die da heute existiert. [...] Das wird ein Vorhaben sein, das ich umsetze.".
Ethnische Gleichstellung
Im Sommer 2020 kam es zu Forderungen nach einer Studie über Rechtsextremismus in der Polizei, nachdem mehrere entsprechende Chat-Gruppen aufgedeckt worden waren. Bundesinnenminister Horst Seehofer wehrte sich gegen die Studie, mit der Begründung, dadurch würde die Polizei unter Generalverdacht gestellt, und das so genannte „racial profiling“ sei in der Polizeipraxis eh verboten. Olaf Scholz kritisierte Seehofers Äußerungen wenig später und fand, eine solche Studie „hätte längst in Auftrag gegeben sein müssen.“ Scholz und andere Kabinettsmitglieder:innen wie Justizministerin Christine Lamprecht setzten sich bei Seehofer weiterhin für die Studie ein, am Ende wurde eine Studie in Auftrag gegeben, die sich mit Alltagserfahrungen der Polizei beschäftigt und in der es auch um den Grundsatz der Nulltoleranz gegenüber Antisemitismus, Rechtsextremismus und Rassismus gehen soll.
Religionsfreiheit
Im Jahr 2017 machten einige CDU-Politiker:innen mit einer Forderung nach einem „Islam-Gesetz“ von sich reden. Ursprünglich angeregt vom damaligen Präsidiumsmitglied Jens Spahn sollte das Gesetz die Tätigkeit von muslimischen Organisationen regulieren und etwa deren Finanzierung aus dem Ausland verbieten. In Österreich gibt es ein solches Gesetz tatsächlich seit 2015, in Deutschland stieß es dagegen selbst innerhalb der CDU auf viel Widerspruch. Olaf Scholz, damals noch Erster Bürgermeister von Hamburg und stellvertretender SPD-Bundesvorsitzender, hielt das vorgeschlagene Gesetz gar für verfassungswidrig. "Wir können ein Gesetz ja nicht nur für eine Religionsgemeinschaft machen", so Scholz gegenüber der Funke-Mediengruppe, dies würde dem verfassungsmäßigen Recht auf Gleichbehandlung widersprechen.
Geschlechtergerechtigkeit
Kurz nachdem Olaf Scholz zum Kanzlerkandidaten der SPD gekürt wurde, gab er im November 2020 ein Versprechen ab: „Ein von mir als Bundeskanzler geführtes Kabinett ist mindestens zur Hälfte mit Frauen besetzt!“, schrieb er auf Twitter. „Es geht um Macht, die Männer abgeben müssen. Deshalb ist auch heute noch der Widerstand so groß, wenn wir mit der Union um eine #Frauenquote ringen. Es sind diese kleinen Schritte, die es braucht damit wir endlich zu echter Gleichstellung in unserem Land kommen“, führte er weiter aus. Schon in seiner Zeit bei den Jungsozialisten war Scholz für eine Frauenquote eingetreten. Unter seiner Führung konnte die SPD im Januar 2021 einen Gesetzentwurf für eine Frauenquote im Vorstand börsennotierter Unternehmen durchsetzen.
Inklusion von Menschen mit Behinderungen
Olaf Scholz fordert ein Bundesprogramm Barrierefreiheit, das etwa den entsprechenden Ausbau öffentlicher Gebäude unterstützt. Nach einem Meeting mit der parteiinternen AG „Selbst Aktiv“ tweetete er, Barrierefreiheit müsse so normal sein „wie Brandschutz oder eine gute Firewall“. Auch wurde mit ihm als Finanzminister das 100-Millionen-Euro-Programm für Inklusionsbetriebe geschaffen, das während der Corona-Pandemie Inklusionsunternehmen und Einrichtungen der Behindertenhilfe über die schwierige Zeit helfen soll.
Umweltschutz
Ende April 2021 kassierte das Bundesverfassungsgericht das erst 2019 von der Regierungskoalition beschlossene Klimaschutzgesetz. Vereinfacht ausgedrückt war es lauf BVG nicht ambitioniert genug und überließ zu viele Maßnahmen einer Generation, die jetzt noch nicht mitentscheiden konnte. Unter der Führung von Finanzminister Olaf Scholz und Umweltministerin Svenja Schulze wurde das Gesetz daraufhin überarbeitet. Allerdings stößt auch die Neufassung bei Umweltorganisationen auf Kritik, weil die gesteckten Ziele nicht weitreichend genug seien.
Fazit
Die SPD, politische Heimat von Olaf Scholz, hat viele positive Entwicklungen, wie die Einführung der Ehe für alle im Jahr 2017, unterstützt und auch vorangebracht. Scholz selbst war allerdings damals Erster Bürgermeister von Hamburg und somit an der Bundespolitik nur sehr begrenzt beteiligt. Was Diversity- und Umweltfragen betrifft, fiel er meist erst spät durch eigene Aktivitäten und Äußerungen auf, vor allem, seitdem er Kanzlerkandidat wurde. In dieser Funktion ist man freilich gezwungen, sich zu jedem Thema zu äußern. Insofern hat Olaf Scholz, sollte er tatsächlich Kanzler werden, noch alles zu beweisen.
Text: Christian Zeiser