Veröffentlicht am 22. Oktober 2021

Rainbow Check

Wie bunt ist Biden?

POLITIK

Am 20. Januar 2021 wurde Joe Biden als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika vereidigt. Was können sich People Of Color, queere Menschen und andere Minderheiten von ihm erhoffen und was hat er bisher für den Umweltschutz geleistet? Der Rainbow Check des aktuellen US-Staatschefs.

2016: Joe Biden schließt die Ehe zwischen Brian Mosteller, damals Assistent im Weißen Haus, und seinem Partner Joe Mahshie
August 2016: Vizepräsident Joe Biden schließt die Ehe zwischen Special Assistant Brian Mosteller (links) und seinem Partner Joe Mahshie

Von Januar 2017 bis Januar 2021 saßen an der Spitze der US-Regierung zwei Männer, denen häufig vorgeworfen wurde, homophob, rassistisch und frauenfeindlich zu sein. Dies dürfte einer der wichtigsten Gründe sein, weshalb Joe Biden mehr Stimmen als irgendjemand zuvor bei einer US-Präsidentschaftswahl erhalten hat. Doch wer ist der 77-Jährige, der schon acht Jahre lang Vizepräsident unter Barack Obama war? 35 Jahre lang saß er für den Ostküstenstaat Delaware im US-Senat, seine politische Karriere reicht mehr als fünf Jahrzehnte zurück. In dieser Zeit hat seine Arbeit durchaus das Leben von Minderheiten berührt, wie unser Rainbow Check zeigt.

LGBTQ-Rechte

Im Jahr 1993, er war damals Senator für den Bundesstaat Delaware, stimmte Biden für eine Reform des Militärrechts, die auch die Regel „Don't ask, don't tell“ enthielt. Die Regel besagte, dass nicht-heterosexuelle Menschen nur dann in der Armee dienen konnten, wenn sie ihre Sexualität nicht preisgeben. Dies war ein Kompromiss nach einer langen und zähen Debatte, und er war sicherlich alles andere als perfekt – und doch stellte er zumindest eine Verbesserung der Situation nicht-heterosexueller Menschen dar, denn diese waren zuvor vom Militärdienst gänzlich ausgeschlossen. Als im Jahr 2011 unter Präsident Barack Obama „Don't ask, don't tell“ abgeschafft und der Militärdienst allen Menschen, unabhängig von ihrer Sexualität ermöglicht wurde, zählte Vizepräsident Biden zu den engagiertesten Unterstützern dieses Vorhabens.

In Bezug auf gleichgeschlechtliche Ehen wurde Bidens Position mit den Jahren immer liberaler. Ganz dagegen war er freilich nie, allerdings stimmte er noch 1996 für ein Gesetz, dass es der US-Regierung verbot, diese Ehen anzuerkennen. Einzelne Bundesstaaten dagegen sollten dies dürfen. Als Vizepräsident sprach er sich dann seit 2012 öffentlich dafür aus, das Recht auf Ehe für gleichgeschlechtliche Paare auf die gesamten USA auszudehnen. Er gilt als verantwortlich dafür, dass auch Präsident Obama seine Haltung hierzu änderte. 2015 wurde dies schließlich durch ein Urteil des Obersten Gerichts der USA Wirklichkeit. In einer Rede bezeichnete Biden den Kampf für das Recht auf Ehe für Alle als „die Bürgerrechtsbewegung unserer Zeit“.

Während des Wahlkampfs für die Präsidentschaftswahl 2020 hat sich Biden für den Schutz von Transgender-Menschen ausgesprochen. Den damals amtieren Vizepräsidenten Mike Pence beschuldigte er, „Diskriminierung unter dem Deckmantel religiöser Freiheit“ zu fördern. Gleich nach Amtsantritt verfügte Joe Biden, dass Transgender-Menschen wieder beim Militär dienen dürfen, was durch die vorherige Regierung unterbunden worden war.

Biden gehört zu den Unterstützern des „Equality Act“  - eines Gesetzentwurfs, der Diskriminierung aufgrund von Sexualität auf Bundesebene verbieten soll. Die Verabschiedung des Gesetzes wurde vom Repräsentantenhaus bereits befürwortet, wird aber seit Mai 2019 durch den US-Senat blockiert.

Pete Buttigieg wurde von Biden zum Verkehrsminister berufen. Der ehemalige Bürgermeister der Stadt South Bend in Indiana ist damit der erste offen homosexuelle Minister der Vereinigten Staaten. Ingesamt arbeiten ins Bidens Regierung mindestens 200 LGBTQ-Menschen, wie das LGBTQ Victory Insitute mitteilte.

Am 11. Oktober 2021 schließlich, dem „National Coming Out Day“ in den USA, veröffentlichte Biden eine Erklärung, die sein Engagement für LGBTQ-Rechte nochmals unterstreicht. Darin heißt es: „Meine Regierung setzt sich dafür ein, dass LGBTQ+ Menschen offen, stolz und frei in jedem Winkel unseres Landes leben können. Ich bin stolz darauf, eine Regierung zu führen, in der LGBTQ+-Beamte offen auf den höchsten Regierungsebenen dienen - und noch stolzer darauf, dass wir gemeinsam historische Fortschritte beim Schutz und der Chancengleichheit für die LGBTQ+-Gemeinschaft erzielt haben. […] Trotz der außerordentlichen Fortschritte, die unser Land gemacht hat, ist unsere Arbeit noch nicht getan, um das Versprechen der Gleichberechtigung in vollem Umfang zu erfüllen. Anti-LGBTQ+-Gesetze wuchern immer noch in den Gesetzgebungen der Bundesstaaten. Mobbing und Belästigung - insbesondere von jungen Transgender-Amerikanern und farbigen LGBTQ+-Personen - sind nach wie vor an der Tagesordnung […]. Wir müssen uns weiterhin gemeinsam gegen diese Hassakte wehren und uns für den Schutz der Rechte, der Möglichkeiten, der physischen Sicherheit und der psychischen Gesundheit von LGBTQ+ Menschen überall einsetzen.“

Ethnische Gleichstellung

Bei einer Debatte der demokratischen Bewerber für die Präsidentschaftskandidatur im Juli 2019 gerieten die kalifornische Senatorin Kamala Harris und Joe Biden aneinander. Harris warf Biden vor, sich in den 70er Jahren gegen das Schulbussystem gestellt zu haben, das Kinder zu Schulen in anderen Stadtteilen oder Städten brachte. Dieses System sollte verhindern, dass rein weiße und rein farbige Schulen entstehen. Biden stritt das zwar ab, Faktenchecker gaben Harris aber Recht. Kamala Harris stellte allerdings klar, dass sie Biden nicht für einen Rassisten hält – und Joe Biden machte sie später zu seiner Kandidatin für die Vizepräsidentschaft.

Nach Amtsantritt machte Joe Biden die Kongressabgeordnete Deb Haaland zur neuen Innenministerin der Vereinigten Staaten. Sie ist damit die erste Native American in der Regierung.

Ein vor allem symbolischer, aber dennoch bedeutsamer Entschluss Bidens als Präsident war, neue 20-Dollar-Noten einzuführen, auf denen Harriet Tubman anstelle von Andrew Jackson abgebildet sind. Jackson war der siebte Präsident der USA und ist wegen seines Sklavenbesitzes sowie als Organisator der Vertreibung amerikanischer Ureinwohner historisch stark belastet. Tubman hingegen war eine Schwarze Bürger- und Frauenrechtlerin, die im 19. Jahrhundert erst selbst der Sklaverei entfloh und anschließend geflüchteten Sklaven auf dem Weg nach Norden half. Bis es tatsächlich zur Einführung des neuen 20-Dollar-AScheins kommt können allerdings noch mehrere Jahre vergehen.

„Juneteenth“, den zuvor inoffiziellen Gedenktag für die Abschaffung der Sklaverei am 19. Juni, machte Joe Biden zum landesweiten, offiziellen Feiertag.

Religionsfreiheit

Präsident Obamas Gegner bei der Präsidentschaftswahl 2012 war der Mormone Mitt Romney. Auf die Frage, wie er zu dessen Religion stehe, sagte Joe Biden in einem Interview: „Ich finde es absurd, die Regierungstauglichkeit eines Menschen auf seine Religion zu reduzieren. Es ist peinlich, und jeder, der das tut, sollte sich schämen.“

Die unter Trump eingeführten und als „Muslim Ban“ bezeichneten Einreisebeschränkungen für Menschen aus muslimisch geprägten Ländern hob Biden noch am ersten Tag als Präsident auf. Allerdings bezog sich dies nicht auf Personen, denen in den Jahren zuvor die Einreise oder ein Visum verweigert worden war, wofür Joe Biden vor allem aus den eigenen Reihen kritisiert wurde.

Geschlechtergerechtigkeit

Zusammen mit dem republikanischen Senator Orrin Hatch entwarf Joe Biden im Jahr 1994 den „Violence Against Women Act“ - ein Gesetz, das Frauen (und auch Kinder) besser vor sexuellen Übergriffen und häuslicher Gewalt schützen sollte. Einige der Maßnahmen gingen gar so weit, dass das Oberste Gericht sie später wieder kassierte. Biden bezeichnete das Gesetz später als die wichtigste Arbeit seiner 35-jährigen Senatorentätigkeit.

Inklusion von Menschen mit Behinderungen

Seit dem Jahr 1990 bereits ist in den USA der „Americans with Disabilities Act“ in Kraft – ein Gesetz, das die Diskrieminierung von Menschen mit Behinderungen durch Firmen, Behörden und andere Institutionen verbietet. Joe Biden hat sich in seinem Wahlprogramm für die Präsidentschaftswahl jedoch noch mehr vorgenommen: In einem 7-Punkte-Plan kündigt er an, Menschen mit Behinderungen unter Anderem vollumfänglich in die politische Arbeit einzubinden, sich darum zu kümmern, dass sie eine bezahlbare und hochwertige Krankenversorgung bekommen und Programme für bezahlbares, barrierefreies Wohnen aufzusetzen. Zu der gesetzlichen Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen kommen auf Initiative von Joe Biden also konkrete Maßnahmen, die deren Leben verbessern sollen.

Umweltschutz

Anders als sein Amtsvorgänger nimmt Joe Biden den menschengemachten Klimawandel sehr ernst. Unmittelbar nach seinem Amtsantritt trat er dem Pariser Klimaabkommen von 2015 wieder bei, nachdem Donald Trump dieses mit Wirkung zum 4. November 2020 verlassen hatte. Das Programm für seine Präsidentschaft umfasst das Ziel, den Netto-Kohlendioxidausstoß in den USA bis zum Jahr 2050 auf Null zu bringen, was laut Experten einen großen Einfluss auf das Weltklima hätte. Um dieses Ziel zu erreichen, hat die Biden-Regierung bereits einige Gesetze auf den Weg gebracht, die etwa den Einsatz von erneuerbaren Energien mit Steuererleichterungen belohnen und Gebühren für den Ausstoß von klimaschädlichen Gasen einführen.

Auch den von Trump vorangetriebenen Bau einer Erweiterung der Keystone-Pipeline von Kanada nach Texas stoppte Biden noch am Tag seines Amtsantritts. Die Pipeline wäre durch mehrere Gebiete gelaufen, die weite Teile der USA mit Grundwasser versorgen. Ein Störfall hätte also verheerende Auswirkungen gehabt.

Im April 2021 versammelten sich auf Bidens Initiative 40 Regierungschefs der Welt zu einem virtuellen Klimagipfel.

Fazit

Joe Biden gilt in den USA als moderater Demokrat, auf das politische Spektrum in Deutschland übertragen würde man ihn als Vertreter der politischen Mitte sehen. Seine Positionen in Bezug auf LGBTQ-Rechte waren für US-Verhältnisse immer fortschrittlich. Während seiner Rede zum Wahlsieg hob er hervor, wie viel ihm die Diversität innerhalb seines Wahlkampfteams bedeutet habe. Ganz makellos ist die Geschichte seines bisherigen Wirkens zwar nicht, insgesamt hat Biden aber für Minderheiten schon viel geleistet. Auch ist ihm sicherlich bewusst, dass er Angehörigen von Minderheiten einen großen Teil seines Wahlerfolges schuldet. Sein Handeln als Präsident war zunächst dadurch geprägt, eine Reihe diskriminierender Entscheidungen der vorherigen Regierung aufzuheben. Bei der Umsetzung weiterer Vorhaben ist Bidens Wille durchaus offensichtlich - teils benötigen diese allerdings einfach mehr Zeit oder sie sind wegen der knappen Mehrheitsverhältnisse schwierig durch beide Parlamentskammern zu bringen. Trotz aller Hindernisse: Bidens Agenda ist vor allem in gesellschaftlichen Fragen deutlich progressiv. 

Text: Christian Zeiser