Veröffentlicht am 14. September 2021

RAINBOW CHECK

Wie bunt ist Armin Laschet?

POLITIK

Er gilt als ein zur Mitte hin orientierter CDU-Politiker – und vielerorts konnte man Erleichterung verspüren, als Armin Laschet Kanzlerkandidat der CDU wurde. Immerhin, so schien es, bliebe einem damit Friedrich Merz erspart. Doch welche Verdienste hat Laschet sich bisher in Diversitäts- und Umweltfragen erworben? Lest hier den Rainbow Check von Kanzlerkandidat Armin Laschet.

Porträt von CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet
Kanzlerkandidat der CDU: Armin Laschet (Foto: Olaf Kosinsky / Creative Commons)

Im Jahr 1995 trafen sich einige junge Bundestagsabgeordnete der CDU und der Grünen erstmals im italienischen Restaurant „Sassella“ in Bonn. Es war das Erste einer Reihe von informellen Sondierungstreffen, die von den jeweiligen Parteispitzen sehr argwöhnisch beäugt und „Pizza-Connection“ genannt wurden. Unter den Teilnehmern dieser ersten Annäherungsversuche war der damals 34-jährige Armin Laschet. Er war also früh bereit, mit starren CDU-Vorstellungen zu brechen. Wie bunt ist der Kanzlerkandidat der CDU, dem selbst Cem Özdemir bescheinigt: „Laschet ist eine ehrliche Haut und vertritt viele gute und richtige Dinge“?

 

LGBTQ-Rechte

Armin Laschet war von 2005 bis 2010 Minister für Generationen, Familie, Frauen und Integration in Nordrhein-Westfalen. Er war also an einem wichtigen Ruder, als 2007 das „Europäische Jahr der Chancengleichheit für alle“ ausgerufen wurde, und entsprechend wurde unter seiner Führung eine Auftaktveranstaltung mit dem Titel „Grenzüberschreitungen: Chancengleichheit in Europa – eine Chance für Nordrhein-Westfalen“ organisiert. Teil der Veranstaltung sollte ein Panel zum Thema „Respekt und Anerkennung unterschiedlicher Lebensentwürfe“ sein. Allerdings wurde dieses Panel kurz vor der Veranstaltung wieder von der Tagesordnung gestrichen und die Teilnehmer:innen wieder ausgeladen  – sehr zu deren Entsetzen. Im Jahr 2017 stimmte er im Bundestag gegen die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Ehen. Mehr noch: Er behauptete wiederholt, das Grundgesetz würde die Ehe als einen Bund zwischen Mann und Frau definieren. Das war falsch, diese Definition gab es nicht.

Nach einer vielfach als homophob kritisierten Äußerung seines Parteikollegen Friedrich Merz stellte Armin Laschet klar: "Es spielt im Jahr 2020 wirklich keine Rolle mehr, wer wen liebt. Das ist Konsens in unserer Gesellschaft, und das ist auch Konsens einer modernen Volkspartei". 

 

Ethnische Gleichstellung

Laschets Leistung als Minister für Generationen, Familie, Frauen und Integration in NRW steht hingegen schon in einem besseren Licht. Fast 40 Prozent der Erstklässler:innen in dem Bundesland haben einen Migrationshintergund, und Armin Laschet bemühte sich durchaus, ihnen die gleichen Bildungschancen wie deutschen Kindern ohne Einwanderungshintergrund zu verschaffen. Auch bei der Chancengleichheit für ausländische Arbeitskräfte zeigte sich Laschet engagiert: „Es kann nicht sein, dass ein Feststoffphysiker aus Russland in Deutschland Taxi fahren muss, während wir Ingenieure suchen. Wir müssen das Potential für unsere Gesellschaft nutzen“, äußerte er sich einmal gegenüber Journalist:innen. Die auch in seiner Partei lange vorherrschende Überzeugung, Deutschland sei kein Einwanderungsland, nannte er „kollektive Realitätsverweigerung“.

Bei eher konservativen CDU-Wähler:innen kamen Laschets Ideen nicht immer gut an. Beim politischen Gegner, insbesondere den Grünen, erwarb sich Laschet in dieser Zeit hingegen durchaus einigen Respekt und ihm wurde bescheinigt, den Tonfall der CDU gemäßigt zu haben. Noch wenige Jahre zuvor hatte sein Landesparteivorsitzender Jürgen Rüttgers mit dem Satz „Statt Inder an die Computer müssen unsere Kinder an die Computer“ Stimmung gegen liberale Einwanderungspolitik gemacht und der Rechtsaußen-Partei Die Republikaner unfreiwillig einen Wahlkampfslogan geliefert.

Negativschlagzeilen machte Laschet indes, als er nach dem Covid-19-Ausbruch in der Fleischerei Tönnies behauptete, das Virus wäre durch bulgarische und rumänische Arbeiter eingeschleppt worden.

 

Religionsfreiheit

Einen Großteil seiner politischen Laufbahn hat Armin Laschet in Nordrhein-Westfalen gewirkt, einem Bundesland mit hoher Zuwanderung und vielen Muslim:innen. Er sprach sich für den Bau von Moscheen mit Minaretten aus, aber gegen den Einsatz von Muezzin. Er nahm Muslim:innen nach der Flüchtlingswelle von 2015 vor dem Vorwurf des Antisemitismus in Schutz und wies darauf hin, dass Synagogen auch davor schon von der Polizei geschützt werden mussten. Zur gleichen Zeit ließ er ein Kopftuchverbot für Mädchen in Kindergärten und Schulen prüfen, da es nicht islamische Praxis sei, nicht geschlechtsreife Mädchen zu verhüllen.

 

Geschlechtergerechtigkeit

Zwar hat sich Armin Laschet in der Vergangenheit durchdacht zu Anlässen wie dem Weltfrauentag geäußert  – wirkliches Engagement für Geschlechtergerechtigkeit ist in seiner bisherigen politischen Laufbahn indes nicht auszumachen. Immerhin: Im März 2021 kündigte Armin Laschet an, im Falle eines Wahlsieges bei der Bundestagswahl im Herbst jeweils zur Hälfte mit Männern und Frauen besetzen zu wollen. 

 

Umweltschutz

Armin Laschet vertrat für lange Zeit in Umweltfragen Positionen, die man als althergebracht CDU-typisch bezeichnen kann. Er war gegen eine Abgabe für alte Kohlekraftwerke, gegen die PKW-Maut und für die Rodung des Hambacher Forstes zur Braunkohlegewinnung. Damals, im Jahr 2018, war Laschet bereits Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und ordnete die viel beachtete Räumung des Forstes an.

Erst, nachdem die Rodung des Hambacher Forstes durch ein Gerichtsurteil gestoppt wurde – der Energieversorger RWE hatte nicht glaubhaft machen können, dass sie für die Stromversorgung notwendig war – lenkte Laschet ein. Seitdem ist er auch unter denjenigen CDU-Politiker:innen, die eine Co2-Steuer fordern, und er befürwortet den Kohleausstieg. Vielen Aktivist:innen wie der deutschen „Fridays For Future“-Sprecherin Luisa Neubauer, gehen seine Vorhaben allerdings nicht weit genug.

Nach der Flutkatatstrophe in Nordrhein-Westphalen und Rheinland-Pfalz im Sommer 2021 fiel Laschet vor allem durch Unbelehrbarkeit auf. Sein Ausspruch "Weil jetzt einmal so etwas passiert ist, ändert man nicht gleich die Politik" während eines WDR-Interviews deuteten Viele als klassisch-konservative "Weiter so"-Mentalität oder als Ausblenden der Dringlichkeit konsequenter Maßnahmen zum Klimaschutz.

Fazit

Armin Laschet ist kein konservativer Betonkopf, so viel steht fest. Er hat sich, vor allem in der Integrationspolitik, durchaus Verdienste erworben. LGBTQ-Menschen hingegen haben kaum von ihm ausgehende Fortschritte zu erwarten, und auch in vielen anderen Punkten wie dem Umwelt- und Klimaschutz wirkt Laschet wie jemand, der sich höchstens dem Zeitgeist beugt, aber keine eigenen Impulse setzt. Seine Wendungen hin zu liberalen oder progressiveren Positionen kamen häufig spät und wirken damit leider halbherzig.