Veröffentlicht am 17. Oktober 2021
Menarchenkelch und Spiegelsitz
Das berühmte Museum of Alternate History zeigt in seiner Ausstellung „Helena bis Maria“ gut erhaltene Artefakte eines nur Wenigen bekannten Matriarchats. Herzstück ist der Menarchenkelch der Kaiserin Helena von Willendorf-Österreich III.
Rainbow World zeigt exklusiv die herausragendsten Objekte.
Helena bis Maria
Paris, Frankreich
30 MIV, Dreißigster Mariannischer Amtszyklus (IV)
Moi Durci Amulett
Der Werkstoff Moi Durci wurde vor 150 Jahren in Paris erfunden und patentiert. Er wird seitdem traditionell zu gleichen Teilen aus Sägemehl und Blut hergestellt. Objekte aus Moi Durci weisen produktionsbedingt eine glatte Oberfläche auf und sind sehr hart. Früh entwickelte sich aus diesem Werkstoff die weit verbreitete Tradition, Amulette und andere persönliche Memorabilien aus Menstruationsblut und Sägemehl zu produzieren. Dieses besondere wertvolle Exemplar wurde Kaiserin Maria IV zu ihrer Menarche angefertigt. Es enthält das Wappen der Familie sowie das Profil der jungen Kaiserin.
Wien, Österreich
29HIII, Neunundzwanzigster Helenischer Amtszyklus (III)
Hauptstadt der Mode
beliebtes Hosenmodell im helenischen Wien
Ein wiederkehrendes Phänomen in der Mode ist ihre Orientierung am Körper. Diese Inspiration beschränkt sich nicht nur auf die Schnitte, sondern schließt auch die Muster, Ornamente und Besätze auf der Kleidung mit ein. Traditionell ist hierbei die ästhetische Inspiration an der Menstruation. Wie bei diesem Ausstellungsexemplar wurden die Muster und Farben des Menstruationsblutes auf kreative und dekorative Weise auf die Kleidung übertragen. Im helenischen Wien wurde dieser Trend aufgegriffen und häufig in Form von eingefärbten roten Lederbändern auf Hosen aufgestickt. Nicht nur unter Frauen war dies ein besonders beliebtes Hosenmodell für den Alltag.
Österreich
01HIII, Erster Helenischer Amtszyklus (III)
Menarchenkelch der Kaiserin Helena von Willendorf Österreich III
Aus allen kalendrischen Menstruationskelchen sind die Menarchenkelche wohl die wertvollsten. Sie bedeuten nicht nur den Beginn des Menstruationszyklus, sondern auch den der herrschenden Amtszeit ihrer Monarchinnen. Kaiserin Helena von Willendorf-Österreich III erhielt diesen Kelch mit 14 Jahren, am ersten Tag ihrer Menarche. Dieser Tag sollte der 1. Januar, also der erste Tag des europäischen Helenischen Amtszyklus sein. Das Blut wurde der Bevölkerung traditionell in diesem Kelch präsentiert und auf ihm wurde das folgende, aus ihrem Zyklus resultierende Jahr aufgezeichnet. Menarchenjahre waren in ihrer Unregelmäßigkeit etwas besonderes und wurden durch viele Festivitäten gefeiert. Kaiserin Helena III regierte für 32 Amtszyklen (32 Menstruationsjahre) bis die Periode ihrer ältesten Tochter Kaiserin Elisabeth IX einsetzte und somit der Elisabethische Amtszyklus begann. Aus kulturhistorischen Schriften geht hervor, dass Kaiserin Helena III besonders für ihre demokratischen Werte und volksnahe Einstellung beliebt war.
Nohanct-Vic, Frankreich
20 HIII, Zwanzigster Helenischer Amtszyklus (III)
Klecksographie von Lucille Dupin (04HIII bis 02MIV)
Als Klecksographie (oder Faltbilder) bezeichnet man die Darstellung von Mustern und Figuren aus Farbklecksen. Klecksographien entstanden erstmals aus Tintenklecksen, einem Nebenprodukt des Schreibens mit der Feder. Die Kraft der gelesenen Symbole und starke Ästhetik, die oftmals daraus entstand, regten viele Klecksographinnen dazu an, die Tinte durch ihr Menstruationsblut zu ersetzen. So wurde es zu einer Art assoziativem Tagebuch und könnte als ein Vorläufer der Psychotherapie verstanden werden. Aus dieser Kunstform sind einige Deuterinnen – so auch Lucille Dupin – durch ihre poetischen und künstlerischen Assoziationen berühmt geworden. Lucille Dupin schrieb über die Klecksographie: "Es ist die Einladung, eigene Instinkte und Intuitionen zu schulen, ohne Beeinflussung von außen, ohne richtig oder falsch, als liebevolle, künstlerische Beschäftigung mit sich selbst."
Leihgabe des Museums für Menstruationsklecksographie Stockholm
Deutschland
35EIX, Fünfunddreißigster Elisabethischer Amtszyklus (IX)
Bazillen-Schale
Dass Mikroorganismen Teil unseres Körpers sind, ist seit vielen Jahrhunderten bekannt. Bis zum Ende der Elisabethischen Amtszeit (IX) konnte jedoch nur erahnt werden, dass sie einen konkreten Effekt auf die körperliche Gesundheit hatten. Mit der Entdeckung des Zusammenhangs von Bakterien und besserer Gesundheit entstanden zu dieser Zeit unterschiedliche probiotische Praktiken und Therapien. Eine der frühesten war die probiotische Behandlung der Vaginalflora. Mit einem feinen Echthaarpinsel wurde ein Pulver auf die Vulva aufgetragen, das den perfekten Nährboden für förderliche Bakterien der vaginalen Flora bot. Noch bis heute hält sich die Praktik, die in unserem Organismus enthaltenen Bakterien zu unterstützen und zu stärken.
Großbritannien
0 HIII, Zwanzigster Helenischer Amtszyklus (III)
Spiegelsitz
Hocker zur vaginalen Selbstuntersuchung
Repräsentativ für die Spiegelsitze der zweiten Helenischen Dekade (III) ist dieses Exemplar besonders gut erhalten. Auch damals schon waren Spiegelsitze in der Gesellschaft etabliert. Die jahrhundertealte Praxis, die eigenen Genitalien in der spiegelnden Oberfläche eines Hockers oder Stuhls zu betrachten und zu untersuchen, bekam zu jener Zeit einen hervorgehobenen Stellenwert. Im Zuge der Aufklärung wurden die Spiegelsitze vermehrt zu Repräsentationsobjekten. Durch die Positionierung der Stühle in repräsentativen Räumen wie dem Gästebad oder dem Wohn- nd Esszimmer sollte ein Bild der Modernität und Offenheit kreiert werden. Heute sind Spiegelsitze in unzähligen Formen, Materialien und Varianten vertreten und sind Teil eines jeden Hausstandes.
Kommt euch jetzt irgendwas seltsam vor? Fragt ihr euch, warum der praktische Spiegelsitz nicht längst modernisiert in jedem aufgeklärten Haushalt zu finden ist und warum ihr eigentlich kein Blutmedaillon eurer Ur-Ur-Ur-Großmutter zu vererben habt? Richtig – weil es das alles nämlich gar nicht gibt. Übrigens auch kein berühmtes "Museum of Alternate History". All diese wunderbaren Objekte hat Paulina Heinz entworfen. Die 24-jährige studierte Produktdesign an der Universität der Künste in Berlin. Für ihre Bachelorarbeit hat sie die Vergangenheit neu erfunden. Menarchenkelch, Bazillen-Schale und Menstruationsklecksografie entstammen einem fiktiven Matriarchat.
"ICH MÖCHTE DURCH DESIGN DENKANSTÖSSE GEBEN"
Paulina Heinz hätte auch einfach nur ein schickes Möbelstück designen können. Eine Hutablage zum Beispiel oder ein Schuhregal. Oder irgendetwas anderes Praktisches. Heinz hingegen entschied sich für das Themenfeld "Design-Fiction" und reichte eine feministisch motivierte Arbeit ein. "Es ist schon ein ganz schöner Spagat, den ich da mache", sagt sie. Zwischen der vermeintlich oberflächlichen, kommerziell getriebenen Produktdesign-Welt und ihrer eigenen Persönlichkeit, die eben mehr will als nur ein schönes Schuhregal. Heinz: "Ich möchte mit Design zum Denken anregen und verschiedene Welten verbinden." So überträgt sie zum Beispiel Sara Ahmeds queer-feministische Arbeit der Queer Phenomenology auf die Themen Gestaltung und Design. Stark abgekürzt: Sara Ahmed sieht Desorientierung als Notwendigkeit für eine Reflexion von Werten und Normen und für eine gesellschaftliche Weiterentwicklung. "Auch ich hoffe, bei den Betrachter:innen meiner Arbeit einen Moment der Desorientierung hervorzurufen", sagt Paulina Heinz. "Sie kann uns helfen, Gewohnheiten und gesellschaftliche Normen kritisch zu betrachten und zu hinterfragen."
"VAGINALHYGIENE UND PERIODENBLUT SOLLEN KEINE TABUS SEIN"
Mit dem Patriarchat, das uns ja alle noch immer prägt, haben Heinz' Objekte nichts zu tun. Deswegen ist ihre Mission wahrscheinlich geglückt – oder wollt ihr leugnen, beim Klicken durch die Ausstellungsobjekte ein ganz kleines bisschen verwirrt gewesen zu sein? Alle Objekte kritisieren die Unterwerfung und Disziplinierung des weiblichen Körpers, die Tabuisierung, die Sexualisierung, die Zuschreibung der Sündhaftigkeit und den Ekel, mit dem Teile des weiblichen Körpers leider noch immer assoziiert werden. Statt eines Handspiegels, der in der Schublade verschwindet, nutzten Frauen in Heinz' Parallelwelt den Spiegelsitz, um ihre Genitalien zu betrachten. Für den Erhalt einer gesunden Vaginalflora gab es die an ein heutiges Nassrasur-Set erinnernde Bakterienschale samt Echthaarpinsel und statt beim Bleigießen orakelte frau ihre Zukunft anhand der Spuren ihres Menstruationsblutes. "Vaginalhygiene und Periodenblut sollten kein Tabu sein", sagt Heinz, die sich selbst als Feministin bezeichnet. "Wir sollten Weiblichkeit mit all ihren Facetten feiern." Wir finden: Genau das tut ihre beeindruckende Arbeit.
Text: Theresa Hallermann
Paulina Heinz, 24, studierte Design an der Universität der Künste Berlin. Derzeit lebt sie in Kopenhagen und arbeitet im Rahmen eines Praktikums für das Architektur- und Designstudio Archival Studies. In ihrer Freizeit zieht es sie in die Natur, außerdem kocht sie gern und praktiziert Yoga.