Veröffentlicht am 3. November 2021
Mensch vs. Tier: ein Perspektivwechsel
Ihre Bilder wirken auf den ersten Blick absurd und befremdlich. Da sitzt zum Beispiel ein Huhn vor einem bis oben hin mit menschlichen Gliedmaßen gefüllten Eimer und knabbert genüsslich an einem Unterschenkel. Künstlerin Barbara Daniels hält uns mit ihrer Kunst einen Spiegel vor und stellt sich in jedem einzelnen ihrer Werke die Frage: Wie wäre es wohl, von einer anderen Spezies beherrscht zu werden?
Die Frauen stehen nackt in Käfigen. Sie stehen, weil die Käfige für jede andere Haltung zu klein sind. An ihren Brüsten hängen Pumpen, die ihre Milch in große Auffangbehälter saugen.
In anderen Käfigen sind Massen an Menschen zusammengepfercht. Durch die Gitterstäbe passt gerade einmal ihr Kopf. Das ist auch notwendig, denn so bekommen sie den überdimensionalen Trichter in den Rachen gezwängt und eine viel zu große Menge Nahrung in ihre viel zu kleinen Mägen gestopft.
In einem weiteren Käfig kniet eine Frau. Sie ist nackt, ihr Kopf ist fixiert und der Käfig wieder so eng, dass eine andere Haltung nicht möglich ist. Hinter ihr zieht sich jemand einen endlos langen Handschuh über, um gegen ihren Willen in sie einzudringen und sie zu besamen, damit sie binnen kürzester Zeit ihr x-tes Kind zur Welt bringt.
Rollentausch mit auSgebeuteten Tieren
Die Bilder der Künstlerin Barbara Daniels sind verstörend und dennoch klar und unmissverständlich in ihrer Aussage. „Das Ziel meiner Kunst ist es nicht, zu predigen, was richtig oder falsch ist, sondern einfach der Menschheit einen Spiegel vorzuhalten und sich das Leben aus der Perspektive der vielen vom Menschen beherrschten Arten vorzustellen“, sagt Barbara Daniels.
Idee kam beim Chicken-Wings-Essen
Die Künstlerin stammt aus Irland, lebt seit 2013 in Berlin. Der Gedanke, Mensch und Tier zu tauschen, kam ihr 2012. Daniels: „Während eines Urlaubs in Straßburg, Frankreich, hatte ich eine Offenbarung, die den Verlauf meiner Kunst für immer verändern sollte. Als ich in einem Café Chicken Wings aß, kam mir der Gedanke: Wie würde es aussehen, wenn die Rollen vertauscht wären? Dieser Gedanke hat mich von diesem Moment an nicht mehr losgelassen und meine Wahrnehmung der Welt um mich herum verändert.“
Klickt euch unten auf der Seite doch mal durch die Galerie. Während die Bilder für sich sprechen, liefert die Rainbow World Diskussionsstoff zum jeweiligen Thema.
Mehr zu Barbara Daniels findet ihr hier:
Text: Silke Hirschfeld, Carsten Gensing
Mensch vs. Tier
Schlachtfabrik tötet 4,2 Hühner pro Sekunde
Branchenprimus PHW Group („Wiesenhof“) schlachtet wöchentlich ca. 4,5 Millionen Tiere. Im Landkreis Vechta (Niedersachsen), dem Ground Zero der deutschen Massentierhaltung, werden 11,4 Millionen Hühner in Mast- und Legefabriken gehalten. Bis auf wenige Ausnahmen bekommen sie niemals Tageslicht zu sehen. Die Geschwindigkeit, mit der die Tiere geschlachtet werden, ist unvorstellbar: Auf einer Schlachtlinie werden bis zu 16.000 Hühner pro Stunde getötet – das bedeutet 4,2 Tiere pro Sekunde.
Eine Milchkuh gibt 8457 Kilogramm Milch – pro Jahr
3,9 Millionen Milchkühe leben in Deutschland, nur knapp ein Drittel hat während der Sommer-Monate zeitlich beschränkten Zugang zu Weiden. Die Lebenserwartung einer Milchkuh beträgt fünf Jahre – etwa ein Viertel der natürlichen Lebensdauer eines Rindes. Durch den Einsatz von Kraftfutter (z.B. Sojaschrot aus Brasilien) wird die Milchmenge pro Tier immer größer. 2020 waren es im Schnitt 8457 Kilogramm. Im Jahr 1990 waren es mit 4710 Kilogramm rund 45 Prozent weniger. Einige Kühe werden bis zu drei Mal am Tag gemolken.
Ein ganzes Leben lang schwanger
Jede Milchkuh bringt während ihres kurzen Lebens zwei bis drei Kälber zur Welt. Für eine optimale Produktivität werden die Tiere nach der Geburt eines Kalbes schnellstmöglich wieder künstlich befruchtet – so geben Sie dauerhaft Milch und tragen parallel schon das nächste Kalb aus. Die Kälber dürfen nach der Geburt nicht bei ihrer Mutter bleiben: Sie werden allein in sogenannten Kälberiglus gehalten. Durch die Überzüchtung der Rassen zugunsten der Milchproduktion setzen männliche Kälber kaum Fleisch an. Sie werden schnellstmöglich verkauft. Da die Preise niedrig sind, gibt es immer wieder Berichte darüber, dass die Tiere illegal getötet werden.
40 Millionen Küken landen im Schredder
In den 1960er Jahren wurde die Zucht von Lege- und Masttieren getrennt – um die Produktivität der Tiere zu erhöhen. Zuchtoptimierte Legehennen legen seitdem bis zu 320 Eier im Jahr. Normale Rassen schaffen nur ca. 180 bis 200 Eier. Durch die Überzüchtung gelten männliche Küken als „unbrauchbar“: Sie legen keine Eier und setzen zu wenig Fleisch an. Folge: Mehr als 40 Millionen frisch geschlüpfte Tiere werden in Deutschland pro Jahr lebendig geschreddert oder vergast. Im Mai 2021 beschloss der Bundestag ein Verbot, das 2022 in Kraft tritt.
Unvorstellbare Qualen durch Stopfmast
Rund 600.000 Gänse werden in Deutschland jedes Jahr getötet. Die Tierschutzorgansiation PETA berichtet über die Haltung: „Vor ihrem Tod werden die Tiere meist unter katastrophalen Bedingungen gehalten und gemästet. Sie leiden für die Produktion von Fleisch, werden in der Stopfmast für die Herstellung von Foie Gras gequält und müssen das gewaltsame Rupfen ihrer Federn ertragen.“ Die Daunen finden wir in Bettdecken, Kopfkissen und Winterjacken. Das Tragen von Daunenjacken ist immer noch selbstverständlich, Hersteller wie „Canada Goose“ werben offensiv für die Verwendung der tierischen Federn.
Perverse Praktiken in der Pelztierindustrie
In Deutschland sind Pelztierfarmen mittlerweile verboten, die letzte Farm schloss 2019. Das ändert nur wenig an dem florierenden Handel, denn der Handel ist weiterhin erlaubt. Ohnehin gibt es in Europa keine einheitliche Regelung: Dänemark ist nach wie vor ein Hotspot der Nerzzucht. In Finnland werden Polarfüchse gezüchtet – in perversen Ausmaßen: So genannte Super-Füchse werden auf das Fünffache ihres regulären Körpergewichts hochgezüchtet, um mehr Fell pro Tier gewinnen zu können. Auch wer keinen Pelz tragen möchte, trägt oftmals unwissend zu der Qualzucht bei: Applikationen und Pelzaufsätze sind häufig aus Echtpelz-Abfällen – die Produktion ist mitunter günstiger.
Niemand hört die Schreie der Fische
Die Aquaristik erlebt einen Boom, die Haltung von Fischen wird als unkompliziert betrachtet. Der Tierschutzbund warnt vor dem leichtfertigen Umgang: Fische sind, wie alle Wirbeltiere, schmerzempfindliche und leidensfähige Lebewesen.“ Ihr Handicap: „Sie sind stumm und können Leiden und Schmerzen nicht so ausdrücken, dass Menschen sie leicht verstehen.“ Beliebte Korallenfische werden wild gefangen. Weil sie sich in Korallenriffen verstecken, werden diese bei der Jagd zerstört. Selbst vor Qualzuchten macht die Aquaristik-Industrie keinen Halt: Beim „Himmelsgucker“, einer Goldfisch-Art, wurden Augendeformationen angezüchtet, damit der Blick des Tieres sich nach oben richtet.
Verhaltensstörungen bei Zoo-Tieren
Tierpark-Betreiber:innen rechtfertigen die Zucht und Gefangenschaft von Wildtieren mit dem Artenschutz – nur hier könne man bestimmte Arten erhalten. Tatsache aber ist: Es kommt so gut wie nie zu Auswilderungen, die Tiere bleiben in Gefangenschaft. Besonders kritisch ist die Ausstellung unserer nächsten Verwandten. Die Tierschutzorganisation PETA schreibt: „Die Bedürfnisse von Menschenaffen sind so komplex, dass ihnen kein Zoo einen artgerechten Lebensraum bieten kann. Häufig leiden Schimpansen, Gorillas und Orang-Utans in Zoos deshalb unter schweren Verhaltensstörungen.“